Skip to content
Claudia Doyle | Science Journalist

  • Home
  • My work
  • My clients
  • Über mich

My work

Salat für den Mars

Salat für den Mars

Posted on 8. Mai 201422. Juli 2016
DSC01621
Am Zentrum für Luft- und Raumfahrt werden Salatköpfe gezüchtet. Bald soll die Anlage in der Antarktis getestet werden, eines Tages versorgt sie vielleicht Menschen im All mit frischem Gemüse.

Bremer Ingenieure entwickeln Gewächshäuser für extreme Umgebungen. Ein Test in der Antarktis seht an, doch eines Tages soll sogar auf anderen Planeten Gemüse angebaut werden.

Daniel Schubert will selbst nie ins All. Der 38-jährige Ingenieur arbeitet zwar am Deutschen Luft- und Raumfahrtzentrum (DLR) in Bremen, aber er erforscht lieber auf der Erde, wie man die Probleme lösen könnte, die das Leben ohne schützende Erdatmosphäre und Magnetfeld so mit sich bringt: Schubert entwickelt Gewächshäuser, die ressourcenschonend und effizient die Menschen im All ernähren soll. Auf der ISS, auf dem Mond oder auf dem Mars. Die ersten Härtetests für seine Gewächshauscontainer stehen bereits in zwei Jahren an. Sie kommen nicht per Rakete an ihren Einsatzort, sondern mit dem Schiff. Sie stehen nicht auf dem Mars, sondern in der Antarktis.

Die Parallelen zwischen diesen beiden Orten sind viel größer, als man zunächst vermuten würde: eine extreme und lebensfeindliche Umgebung,und eine komplizierte Logistik. Zwar gibt es am Südpol eine Atmosphäre, in der Menschen atmen können, aber das Kohlendioxid, das Pflanzen brauchen, besitzt auch der Mars. Guter Mutterboden fehlt beiden. „Die Forschungsstationen in der Antarktis werden seltener besucht als die ISS“, erklärt Schubert. Jedes Jahr im antarktischen Sommer, also etwa Mitte Dezember, dockt das Forschungsschiff Polarstern in der Antarktis an und entlädt Diesel, Fahrzeuge, Ersatzteile sowie 50 Tonnen Nahrungsmittel. Mit dabei ist seit vielen Jahren schon Eberhard Kohlberg, der seit 1998 am Alfred-Wegener-Institut in Bremerhaven die Forschungsaktivitäten auf der deutschen Antarktisstation Neumayer III koordiniert. Er hat selbst in den Jahren 1989 und 1999 in der Antarktis überwintert.

„Die Nahrungsmittelversorgung hat in den letzten 25 Jahren einen Quantensprung gemacht“, sagt Kohlberg.   „Früher haben wir hauptsächlich von Konserven gelebt, heute bekommen sie viele frische Sachen.“ Alles, was sich einfrieren lässt, ist ganzjährig verfügbar. Zwischen Anfang November und Ende Februar bringen Flugzeuge aus Südafrika sogar frisches Obst und Gemüse. Aber im langen antarktischen Winter ist das nicht möglich. Der Kontinent ist dann vollständig von der Außenwelt abgeschnitten. Weder Flugzeuge noch Schiffe dringen zu ihm vor. Dann kommen Daniel Schuberts Gewächshauscontainer zum Einsatz.

„Reguläre Gewächshäuser gibt es in der Antarktis mehrere“, so Kohlberg. „Aber wir testen hier ein ganz besonderes System, das eines Tages Menschen im All ernähren soll.“ EDEN heißt das Projekt, die Abkürzung gehört zu einem kunstvoll konstruierten englischen Namen, der die Entwicklung von „Nahrungsquellen als geschlossenes System“ beschreibt. Dies ist der wohl wichtigste Unterschied zwischen den Astrogewächshäusern und denen auf der Erde. Aus einem geschlossenen System entweicht im Idealfall nichts, kein Tröpfchen Wasser und kein Molekül Nährstoff. Dieses Ideal erreicht Schuberts Entwicklung zwar nicht. Aber: „Was bei der Ernte entnommen wird, soll nachgefüllt werden müssen“, erklärt er. In dem zu verzehrenden Gemüse stecken schließlich Wasser, Kohlenstoff und einige Nährstoffe.

Mars und Antarktis gleichen sich: Die Umwelt ist lebensfeindlich und die Logistik kompliziert

Das Labor, in dem der Ingenieur seine EDEN-Container baut, liegt im Bremer DLR-Institut abseits der Tiefgarage. Der Weg führt vorbei an Autos und Fahrrädern, bis zu einer unauffälligen Tür in der hintersten Ecke. „Die besten Ideen sind in der Garage entstanden“, scherzt Schubert über den ungewöhnlichen Standort. Auf den ersten Blick sieht das Labor aus wie eine Werkstatt. Pflanzen sind weit und breit nicht zu sehen. Fenster auch nicht, obwohl doch Vegetation etwas mit Licht zu tun haben sollte. Erst im nächsten Raum wird simuliert, was bald in der Antarktis getestet werden soll.

In fünf fensterlosen Boxen, jede mit etwa einem Quadratmeter Grundfläche und zwei Metern Höhe, wachsen auf mehreren Ebenen viele kleine Salatköpfe. Das Licht liefert eine Hochleistungs-LEDs. Es ist so intensiv, dass man nur mit Schutzbrille einen Blick auf die Pflanzen werfen darf. Die pinke Farbe vereint blaue und rote Wellenlängen, die die Pflanzen zum Gedeihen brauchen. Grün benötigen die Gewächse nicht, in der Natur reflektieren sie diesen Anteil des weißen Sonnenlichts und wirken deswegen grün. Für jede Pflanzenart können die Wissenschaftler sogar ein speziell angepasstes Lichtspektrum einstellen, das genau auf ihre Bedürfnisse zugeschnitten ist. Sie bekommen zudem 20 oder gar 22 Stunden pro Tag Licht, damit sie schneller wachsen.

Schubert hebt einen der Salatköpfe aus seiner Plastikhalterung. Weder Erde noch Wasser klebt an den Wurzelballen. „Wir arbeiten nicht mit Substrat oder Hydrokultur, sondern besprühen die Wurzeln der Pflanzen lediglich mit einer Nährlösung“, erklärt er – minimaler Einsatz von Ressourcen bei maximalem Nutzen für die Pflanze.

Im Hintergrund arbeiten zwei Mitarbeiter von Schuberts Arbeitsgruppe an den Feinheiten des Luftmanagementsystems. Mit Kohlendioxid angereicherte Luft wird von unten in die Pflanzkammern eingespeist, gleichzeitig wird die alte Luft oben abgesaugt. Daraus wird das von den Pflanzen verdunstete Wasser zurückgewonnen, anschließend wieder neues Kohlendioxid beigemischt. Da Luft und Wasser immer wieder und wieder zirkulieren, muss eine Kontamination mit Krankheitserregern und Pflanzenschädlingen auf jeden Fall vermieden werden. Filter halten darum Pilze und Sporen in der umgewälzten Luft zurück.

Einer der beiden jungen Männer, die sich gerade an den Schläuchen und Pumpen zu schaffen machen, ist Paul Zabel, Doktorand in Schuberts Arbeitsgruppe. Er wird gemeinsam mit dem Gewächshauscontainer zur Neumayer-Station aufbrechen und dort überwintern. „Es war eine spontane Entscheidung“, erzählt Zabel. „Zuhause habe ich nur eine Plastikpalme, da unten werde ich für den gesamten Gewächshauscontainer verantwortlich sein.“

Mit seinen Experimenten will er herausfinden, wie viel Kohlendioxid, Wasser und Licht wirklich am besten für die Pflanzen ist. Und er soll Schwachstellen aufdecken, die in der künstlichen Laborumgebung unentdeckt bleiben. „Man kann vorher viel kalkulieren und planen, aber vor Ort merkt man erst, dass Wirklichkeit und Plan nicht immer übereinstimmen und ausgerechnet das Ersatzteil fehlt, das man nicht mitgenommen hat.“

Während im Sommer 50 bis 60 Wissenschaftler und Techniker auf der Neumayer-Station leben, ist es in den langen Wintern nur eine Notbesatzung von neun Personen. Das kommt den Raumfahrtingenieuren entgegen, denn mit ungefähr dieser Mannschaftsgröße werden auch Marsexpeditionen geplant.

Der Anbau von Grünpflanzen soll auch das Wohlbefinden der Gruppe steigern

Wenn die Vorbereitungen weiter nach Plan laufen, werden die Überwinterer 2016 zum ersten Mal ganzjährig mit frischem Gemüse versorgt werden können. Ein 20-Fuß-Container mit 18 Einzelboxen von jeweils drei oder vier Ebenen kann Berechnungen zufolge pro Tag jeweils zwei Kilogramm Salat und Tomaten liefern. Das wäre auf keinen Fall ein Ersatz für das Essen aus der Tiefkühltruhe, aber doch ein netter Nebeneffekt.

Neben einer Bereicherung des Speiseplans erhoffen sich die Forscher auch positive psychologische Effekte des Pflanzenanbaus. Die Isolation im ewigen Eis oder auf einer Marsmission ist ein nicht zu unterschätzender Stressfaktor. Die Pflege von Grünpflanzen wäre auch eine Art Beschäftigungstherapie, könnte das Wohlbefinden und den Gruppenzusammenhalt steigern.

Nicht zuletzt könnten die Ergebnisse des EDEN-Projekts auch auf der Erde wichtig werden. Denn aufgrund der stetig wachsenden Weltbevölkerung muss Landwirtschaft zukünftig intensiver und ressourcenschonender zugleich arbeiten. Gewächshäuser mit minimalem Verbrauch von Fläche, Wasser und Nährstoffen könnten auch für dichtbesiedelte Metropolregionen einen Beitrag zur Ernährung der Bevölkerung leisten.

Dieser Artikel erschien am 05. Mai in der Süddeutschen Zeitung.

Im Teufelskreis

Im Teufelskreis

Posted on 26. Februar 201422. Juli 2016
Tamarisken gelten im Südwesten der USA als invasive Pflanzen, die die heimische Flora verdrängen. Gefräßige Käfer sollen die Bäume zurückdrängen.
Tamarisken gelten im Südwesten der USA als invasive Pflanzen, die die heimische Flora verdrängen. Gefräßige Käfer sollen die Bäume zurückdrängen.

Weil sie so schön blühen, brachte der Mensch einst Tamarisken in die USA. Dann wucherten die Gewächse alles  zu – bis Biologen einen Käfer freisetzten. Der könnte nun der Beginn des nächsten Problems sein.

Die Flussufer im Südwesten der USA bieten einen trostlosen Anblick. Sie sind gesäumt von abgestorbenen Tamarisken, die ihre grauen dünnen Zweige leblos in den Himmel recken. Tote Bäume so weit das Auge reicht, von Tamariskenkäfern kahl gefressen. Doch die meisten Umweltschützer jubeln.

Die Käfer kamen nicht zufällig ins Land, sondern wurden vor 13 Jahren von der amerikanischen Regierung freigesetzt. Die aus China und Kasachstan stammenden Insekten der Art Diorhabda carinulata waren der letzte Trumpf im Kampf gegen die invasiven Tamarisken, die sich seit ihrer Einfuhr vor 200 Jahren so aggressiv im Südwesten der USA ausgebreitet haben wie keine andere Pflanze.

Weder Axt noch Flammenwerfer haben den Siegeszug der Bäume aufgehalten

Um das Jahr 1800 herum wurden Tamarisken aufgrund ihrer schönen Blüten und eleganten Wuchsform als Zierpflanzen aus Asien und Südeuropa eingeführt. Später pflanzten die Bewohner von Colorado und Arizona, Utah und New Mexico die Bäume sogar gezielt an den Flussufern an, als Schattenspender und um den Boden vor Erosion zu schützen. Weil sie mit extremer Trockenheit und hohem Salzgehalt im Boden sehr gut zurechtkommen, haben die Pflanzen  im staubigen Südwesten der USA einen perfekten Lebensraum gefunden. Doch ihren Spitznamen Salzzeder tragen die Bäume nicht ohne Grund. Sie versalzen den Boden und machen ihn für andere Arten damit praktisch unbewohnbar. Außerdem erhöhen sie die Brandgefahr, und ihre mageren Zweige und dürren Blätter bieten Wildtieren und Vögeln kaum Nahrung.

Vollständig ausrotten lassen sich die Tamarisken inzwischen nicht mehr. Selbst wenn der Käfereinsatz erfolgreich sein sollte, werde sich der Bestand der Pflanzen um maximal 85 Prozent verringern. Nachdem in den vergangenen Jahrzehnten weder Axt noch Flammenwerfer den Siegeszug der Bäume aufhalten konnten, galt die biologische Schädlingskontrolle als letzte Hoffnung.

„Vorher wurden Millionen von Dollar für die Eindämmung der Tamarisken ausgegeben“, sagt Dan Bean vom Landwirtschaftsministerium in Colorado. Diese Programme hatten wenig Erfolg, und  das großflächige Versprühen von Herbiziden birgt auch Risiken für Menschen und einheimische Pflanzenarten.“

Ehe der Käfer auf Tamarisken losgelassen wurde, hatte er sich gegen 300 Mitbewerber durchgesetzt. Er  wurde ausgewählt, weil er ein mäkliger Esser  ist und es speziell auf Tamarisken abgesehen hat. Zehn Jahre lang haben Wissenschaftler das im Labor untersucht. „Solch intensive Tests sind wichtig, denn man ist in der Vergangenheit mit biologischer Schädlingskontrolle viel zu unselektiv und unspezifisch umgegangen“, meint Gunnar Brehm von der Universität Jena. „Man hat teilweise Arten ins Land geholt, die mehr Probleme verursachen als sie lösen.“

Eines der bekanntesten dieser Negativbeispiele ist der Asiatische Marienkäfer. Gärtner setzten große Hoffnungen in seine Fähigkeiten, Blattläuse zu vernichten und importierten die Tiere aus Japan und China. Kurz darauf zeigte sich, dass die Neuankömmlinge nicht nur Schädlinge eliminieren, sondern auch die einheimischen Marienkäfer verdrängen. Ähnliche Erfahrungen hatten Jahrzehnte zuvor bereits die Australier gemacht, als sie sich die Aga-Kröte aus Amerika ins Land holten. Die Kröten sollten ebenfalls Schadinsekten vernichten – und dezimierten die Vielfalt der heimischen Amphibien und Schlangenarten erheblich. Seither wissen Forscher um die Unwägbarkeiten der biologischen Schädlingsbekämpfung und versuchen, diese durch umfangreiche Tests besser abzuschätzen.

Bleibt nun der Weidentyrann als Kollateralschaden auf der Strecke?

Im Fall der Tamariskenkäfer interessierte die Wissenschaftler auch, wie weit die Insekten sich nach Süden ausbreiten würden. Zunächst sah alles danach aus, als sei am 38. Breitengrad Schluss, denn der Käfer braucht zur erfolgreichen Vermehrung lange Sommertage. „Aber die Evolution ist bei der Anpassung an unterschiedliche Tageslängen bekannt dafür, ziemlich schnell zu sein“, sagt Dan Bean. In zwanzig bis dreißig Jahren, so hatten die Wissenschaftler des US-Agrarministeriums zunächst geschätzt, könnten sich der Tamariskenkäfer angepasst haben. Dann aber ging das viel schneller.

Im Jahr 2001 wurden die Käfer erstmals an zehn Standorten in den sechs Bundesstaaten Kalifornien, Utah, Colorado, Wyoming, Nevada und Texas freigesetzt. Und die Insekten erfüllten ihre Aufgabe wie geplant. Nach anfänglichen Startschwierigkeiten fraß er sich mit ungeahnter Geschwindigkeit durch die Tamariskenhaine. Den 38. Breitengrad überquerte er nach nicht einmal zehn Jahren. Hinter sich ließ er einen Gespensterwald aus Baumgerippen.

„Was jetzt kommt, hängt vom umgebenden Ökosystem ab“, erklärt Matt Moorhead von der gemeinnützigen Organisation The Nature Conservancy. Wo rund um die abgestorbenen Tamarisken noch heimische Bäume stehen und Samen auswerfen, wie entlang des Purgatoire Flusses inColorado, erhole sich die Natur von selbst. An anderen Stellen müsse gezielt gepflanzt und gesät werden, damit  die tote Erde zu neuem Leben erwacht. „Die Käfer sind eine kostengünstige Variante um die Ökosysteme wieder gesünder werden zu lassen“, sagt Bean. „Ein Allheilmittel sind sie aber nicht.“

In einigen Gebieten haben die Tamarisken  Schwarzpappeln und Weiden so stark zurückgedrängt, dass diese sich ohne menschliche Hilfe nicht wieder ausbreiten können. Außerdem haben die Tamarisken den Salzgehalt im Boden derart angereichert, dass es für andere Arten schwierig ist, wieder Wurzeln zu schlagen. Doch wenn die einheimischen Pflanzen nicht bald zurückkehren, füllen andere invasive Arten wie die Schmalblättrige Ölweide die Lücke – aus ökologischer Sicht wäre dann wenig gewonnen. Für eine flächendeckende Aufforstung fehlt aber das Geld. “Es gibt nie genug Fördermittel um jedem Bedarf gerecht zu werden,“ sagt Moorhead, „deswegen priorisieren die Projektmanager danach, wo die Rekultivierung den größten Erfolg verspricht.“

Auf eine rasche Aufforstung drängen auch die Vogelschützer. Sie sorgen sich um den Weidentyrann, einen kleinen, braunen, vom Aussterben bedrohten Singvogel. Er brütet in Ermangelung von Alternativen hauptsächlich in Tamarisken. Als die Käfer schneller als erwartet gen Süden vordrangen und sich auf das Brutgebiet des Weidentyranns zufraßen, ließ die US-Regierung die Freisetzungen der Käfer stoppen und unter Geldstrafe stellen. Inzwischen aber sind die meisten Forscher der Ansicht, dass bei zügiger Aufforstung der Weidentyrann nicht in Gefahr sei. Lokal werden wieder Käfer freigelassen –  wenn das auch umstritten ist.

Dieser Artikel erschien am 25. Februar 2014 in der Süddeutschen Zeitung

Newer Posts
Copyright © 2025 Shaped Pixels. All rights reserved.